Quelle: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Ein Flugplatz nordwestlich von Braunschweig: Drohnen, Rettungsfahrzeuge, Scooter und viele Forscher tummeln sich auf dem Gelände. Hier wird intensiv getestet und erprobt. Praxisnah sollen die Anwendungsfälle sein. Und so findet ein digitales Gaia-X kompatibles Datenökosystem auf dem Konsortialtreffen von Gaia-X 4 AMS sein praxisnahes Testfeld. Anwendungspartner ist die Feuerwehr Braunschweig.
GAIA-X 4 AMS (Advanced Mobility Services) ist ein Teilprojekt der Projektfamilie GAIA-X 4 Future Mobility, in dem eine sichere und zugängliche Dateninfrastruktur für die Entwicklung von Mobilitätsanwendungen ermöglicht wird. Ziel von GAIA-X 4 AMS ist es, ein Datenökosystem auf Basis von Gaia-X-Technologie zu entwickeln, das Anwendungen für den Verkehr bereitstellt und Verkehrsteilnehmer miteinander verbindet. Der Fokus liegt dabei auf der Vernetzung und Kooperation von Fahrzeugen, einschließlich autonomer Fahrzeuge, mit dem umgebenden Gesamtverkehrssystem. Über die Vernetzung verschiedener relevanter Akteure und den Aufbau eines sicheren und souveränen Datenraums soll die Verkehrssicherheit sowie die Effizienz und Transparenz des Verkehrssystems erhöht werden. Das Team aus 24 Konsortialpartnern hat sich für zwei Anwendungsfälle entschieden, die im Folgenden dargestellt werden.
Angesichts der steigenden Anzahl autonomer und vernetzter Fahrzeuge auf den Straßen stellt sich die Frage: Wie können diese Fahrzeuge im Notfall Rettungsfahrzeugen effizient Platz machen? Die Lösung liegt in sogenannten Trajektorien, die den Weg für Rettungsfahrzeuge in Koordinaten beschreiben. Diese Trajektorien dienen als Richtlinien, denen autonome Fahrzeuge folgen können. Es ermöglicht den Rettungsfahrzeugen, den optimalen Weg zur Einsatzstelle zu wählen, während die anderen Fahrzeuge sich automatisch danach richten. Doch nicht nur autonome Fahrzeuge profitieren von dieser Technologie. Stellen Sie sich vor, Sie sind mit Ihrem herkömmlichen Fahrzeug unterwegs und sehen im Rückspiegel ein herannahendes Rettungsfahrzeug. Anstatt erst in letzter Minute auszuweichen, könnten Sie dank moderner Infrastruktursysteme bereits im Voraus benachrichtigt werden. So hätten Sie die Möglichkeit, proaktiv zu reagieren und gegebenenfalls an einer Kreuzung frühzeitig dem Rettungsfahrzeug den Weg freizumachen, indem Sie die Rettungsgasse freilassen, bevor das Rettungsfahrzeug im Rückspiegel sichtbar wird, oder indem sie gar in eine Seitenstraße abbiegen.
Hinzu kommt im Projekt auch die effiziente Routenplanung und führung für Rettungseinsätze. Rettungsdienste können auf ihrer Route die Ampelschaltung in der Stadt beeinflussen. Alle Ampeln auf der Route auf Grün zu schalten, spart wertvolle Zeit und kann Leben retten. Bereits heute wird solche Technologie in Städten wie Darmstadt und Braunschweig erfolgreich angewandt. Gaia-X bietet hier das Potenzial, kommunale Grenzen zu überwinden.
Ein Schlüssel zur Verwirklichung dieser Vision liegt in Gaia-X, einer föderalen Informationsinfrastruktur. Gaia-X soll den Austausch von Informationen und die Koordination von Rettungseinsätzen auf überregionaler Ebene ermöglichen, insbesondere bei Großeinsätzen mit Rettungsdiensten aus benachbarten Gemeinden und Kreisen. Gaia-X schafft Vertrauen zwischen Kommunikationspartnern, die sich bisher nicht gekannt haben. Statt jedem Rettungsdienst proaktiv Zugang zu Systemen zu gewähren, sollen durch Gaia-X vertrauenswürdige Identitäten aufgebaut werden, die im Ernstfall schnell und unkompliziert die nötigen Berechtigungen erlangen können. Landesbehörden könnten beispielsweise Identitätsnachweise für Rettungsdienste ausstellen, die dann die Ampelanlagen beeinflussen dürfen. Dies würde eine nahtlose Zusammenarbeit über kommunale Grenzen hinweg ermöglichen.
Darüber hinaus ermöglicht Gaia-X die einfache Einbindung zusätzlicher Dienste in Rettungseinsätze. So könnten beispielsweise Drohnen zur Lageerkundung angefordert werden und deren Daten durch Gaia-X ad hoc mit den relevanten Stellen geteilt werden.
Ein weiteres Kernthema des Projekts ist ein spezielles Routing für autonome Fahrzeuge. Autonome Fahrzeuge sind nicht dafür konzipiert, überall und unter allen denkbaren Bedingungen autonom zu agieren. Stattdessen sind sie darauf ausgelegt, unter bestimmten Bedingungen sicher und zuverlässig zu operieren. Mit dem stetigen Fortschritt der Technologie erweitert sich zwar der Rahmen, innerhalb dessen autonome Fahrzeuge agieren können, doch gewisse Einschränkungen werden voraussichtlich bestehen bleiben. Die Beschreibung der zulässigen Betriebsbedingungen geschieht in der Operational Design Domain (ODD). Ein Beispiel für eine enge ODD wäre das autonome Fahren auf der Autobahn mit einwandfreien Fahrbahnmarkierungen, wenn es Tag ist, die Geschwindigkeit zwischen 100 und 130 km/h liegt und die Straße trocken ist. Die ODD kann je nach technologischer Entwicklung des Fahrzeugs erweitert werden, aber sie wird immer präzise definiert bleiben. Für die IT-Systeme hinter diesen autonomen Fahrzeugen stellt sich die wichtige Frage: Wie gelangen wir am effizientesten von Punkt A nach Punkt B innerhalb dieser ODD? Wie können wir die autonomen Funktionen bestmöglich nutzen? ODD-Routing erfordert eine differenzierte Herangehensweise, da nicht nur hochgenaue Kartendaten, sondern auch ständig aktualisierte dynamische Daten wie Wetterinformationen, Verkehrsinformationen und Baustellenberichte berücksichtigt werden müssen. Diese Informationen müssen kontinuierlich aktualisiert und aus unterschiedlichen Quellen herangezogen werden, um eine sichere Navigation innerhalb der ODD zu gewährleisten. Der Mehrwert von Gaia-X in diesem Zusammenhang liegt darin, dass es ein offenes Ökosystem für Anbieter dynamischer Informationen schafft. Hier können verschiedene Akteure wie Wetterdienste, Straßenverwaltungen und andere relevante Datenanbieter ihre Informationen zur Verfügung stellen. Dies ermöglicht autonomen Fahrzeugen, in Echtzeit auf wichtige Daten zuzugreifen, um ihre Route unter Berücksichtigung der ODD optimal zu planen.
In einer vielfältigen Datenlandschaft, in der zahlreiche Datenanbieter und nachfrager interagieren, kann es zuweilen zu Missverständnissen oder Unstimmigkeiten kommen. In solchen Fällen ist es von entscheidender Bedeutung, die Möglichkeit zu haben, sämtliche Transaktionen und Verträge rückverfolgen zu können. Wer hat mit wem welchen Vertrag über welche Dienstleistung geschlossen? Welche Dienste wurden erbracht, und welche blieben aus? Die Software AG übernimmt in Gaia-X 4 AMS die verantwortungsvolle Aufgabe sicherzustellen, dass diese wichtigen Informationen gespeichert werden und für mögliche Streitfälle zur Verfügung stehen. Diese Transparenz und Nachvollziehbarkeit muss nahtlos in die Gaia-X-Architektur integriert werden. Das Projekt setzt auf den Eclipse Data Space Connector (EDC), eine etablierte Gaia-X-Technologie. Dabei besteht eine Herausforderung: Das Thema Logging ist im EDC nicht so umfänglich behandelt wie in anderen Gaia-X-Technologien. Die Software AG schließt diese Lücke mit ihrem Arbeitspaket zur Forensik. Durch die Nutzung der Distributed-Ledger-Technologie IOTA wird es möglich, Informationen revisionssicher zu speichern. Eine spannende Frage stellt sich hierbei: Wie können wir sicherstellen, dass im Normalfall niemand auf diese Daten zugreifen kann, während im Falle einer forensischen Analyse der Zugriff für berechtigte Stellen gewährleistet ist? Dies sind zwei gegensätzliche Anforderungen, die es in Einklang zu bringen gilt. Hierfür sind kryptographische Methoden und ein sensibler Umgang mit Zugriffsschlüsseln nötig.
Gaia-X 4 AMS