Motorsport vollelektrisch
            

Die Electric Racing Academy will den Motorsport aufmischen und die erste vollelektrische Junior-Rennserie der Welt gründen. Eine umfassende IoT-Verknüpfung der Fahrzeuge soll das Rennen auch abseits der Strecke zum digitalen Erlebnis machen.

Ein kühler, sonniger November-Tag an der Rennstrecke Zolder. Vor ein paar Minuten kurvte eine Motorradstaffel der belgischen Polizei um Signalhütchen und übte sich in schwierigen Fahrmanövern. Nun macht sie Pause. Etwas anderes zieht auf dem Asphalt seine Bahnen – und plötzlich kommt es am Eingang der Zielgeraden in Sicht. Die Polizisten recken neugierig die Hälse, ihre Smartphone-Kameras im Anschlag. Etwas Gelbes, Schnelles, Flaches rast heran, untermalt von einem lauten Rauschen, Zischen, Sirren. Als nähere sich ein Raumschiff.

Tatsächlich ist es ein „Mitsu-Bachi“ F110e, ein vollelektrisch angetriebener Formel 4-Bolide. 130 KW Leistung mobilisiert der Motor, womit sich ein hübsches Drehmoment entfesseln lässt, um das Gefährt in Windeseile auf bis zu 210 km/h beschleunigen. 20 Minuten würde ein Rennen mit dem gut 150.000 Euro teuren Auto dauern, bis die Batterie wieder aufgeladen werden muss.

Besonders lang wirkt das nicht, aber es ist definitiv lang genug, findet Dieter Vanswijgenhoven, der den F110e nach der Testfahrt sanft gestikulierend in die Box lotst.

In 20 Minuten ließe sich wunderbar ein Rennen mit 10 bis 12 Fahrern absolvieren, so sein Kalkül und das seiner Geschäftspartnerin Beth Georgiou: Sie möchten die erste vollelektrische Junior-Rennserie der Welt ins Leben rufen – offener, nachhaltiger und digitaler als die etablierten Verbrenner-Serien. Dafür gründeten sie ERA, die Electric Racing Academy. Das Start-up setzt auf eine neuartige, umfassende IoT-Verknüpfung der Fahrzeuge, um Rennen auch abseits der Strecke zu einem digitalen Erlebnis zu machen. Im Sommer 2022 soll die erste Rennsaison starten. „Die Zeit ist reif“, sagt Beth.

Offen, divers und innovativ

Später, im angenehm geheizten Besucher-Bereich an der Rennstrecke, erklären die beiden Gründer bei Kaffee und Keksen ihre Motive. „Ich bin davon überzeugt, dass wir wirklich positive Veränderungen im Motorsport anstoßen können, wenn es um Nachhaltigkeit und Diversität geht“, sagt Beth, die als Kind unweit der englischen Rennstrecke Silverstone aufwuchs und Autorennen liebt, seit sie denken kann. Ihr und Dieter sei es wichtig, das Thema Klimawandel nicht auszublenden. „Außerdem setzen wir uns selbst Ziele, um uns als Organisation zu verbessern, etwa um erneuerbare Energie einzusetzen oder dem Publikum eine Alternative zu Einwegplastik im Fahrerlager zu bieten.“ Dass der Weg lang ist, ist ihr bewusst. „Das ehrliche und transparente Teilen unserer eigenen Absichten und Erfolge ist ein guter Weg, um eine Diskussion in einem Sport anzustoßen, der bislang nicht gerade für Nachhaltigkeit bekannt ist.“

ERA setzt auf niedrige Hürden, um möglichst Vielen die Teilnahme am Rennzirkus zu ermöglichen, sagt Dieter. Als Teenager jagte er in Zolder Renault Clios und Meganes über den Circuit, seitdem lässt ihn der Motorsport nicht mehr los. „Unsere Vision ist, einen Pool von jungen Talenten zu schaffen. ¬Fahrerinnen und Fahrer,¬ Mechanikerinnen und Mechaniker, Ingenieurinnen und Ingenieure – die sich gegenseitig anspornen, miteinander messen und sich so bis in die Top- Ebenen des Motosports hocharbeiten können, wenn sie das möchten.“ Auch sollen kleinere und mittelgroße Unternehmen bei ERA unkompliziert und kostengünstig ihre Neuheiten zeigen können. „Viele innovative Ideen und Produkte kommen derzeit von mittelständischen Unternehmen und Start-ups, und wir können sie in einen Sport einbinden, bei dem sie ihre Produkte unter realen Bedingungen testen und direkt Leistungsdaten erhalten können.“

Renndaten: Live und digital

Daten und Connectivity – beides ist aus Sicht von ERA essentiell für das Gelingen des Projekts. Deshalb setzt das Start-up auf die IoT-Anbindung der Rennautos und die Speicherung und Anlayse der Informationen in der Cloud. Realisiert wird dies durch die Software AG mit Hilfe der Plattform Cumulocity IoT. „Eine gute Strategie ist für Teams und Fahrer im Elektroauto-Rennsport extrem wichtig”, sagt Beth. Und Echtzeitdaten seien der Schlüssel, um zu erkennen, ob eine Strategie während eines Rennens aufgehe. „Deshalb haben wir die Autos mit der IoT-Plattform verbunden. So haben alle Teams stets tiefe, aktuelle Einblicke in den Zustand des Autos und können während des Rennens entsprechend reagieren.“

Aber das sei noch nicht alles, fügt Dieter hinzu, ihre Pläne gehen weiter: „Die Verknüpfung der Renndaten mit einer App könnte ein neues Level an Fan-Engagement eröffnen. Wir arbeiten daran. So könnten alle Interessierten das Rennen auf ihren Smartphones verfolgen, technische Daten und Prognosen erhalten und auf spielerische Weise am Rennen teilhaben.“ Insbesondere jüngere Fans dürfte das zusagen, schließlich sei ihnen Online-Gaming bestens vertraut.

Die Weichen für ERA sind gestellt, im nächsten Jahr will die neue Serie durchstarten, das Interesse sei groß, sagt Beth: „Ich glaube, erstens ist ERA für Sponsoren wegen des Preises attraktiv: Der Betrieb eines Elektroautos ist aufgrund der geringeren Gesamtwartung kosteneffizienter. Zweites sind wir derzeit die einzige Einstiegsklasse-Option für junge Fahrinnen und Fahrer und deshalb sehr gut in der Öffentlichkeit sichtbar.“ Und Drittens sei da der generell starke Trend in Richtung E-Mobilität, ergänzt Dieter: Viele Unternehmen würden ihre Marketing- und Sponsoring-Aktivitäten überdenken und in Richtung Nachhaltigkeit ausrichten. Für die könnte sich ERA als eine neue Perspektive entpuppen.

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