Die Zukunft beginnt hier und jetzt
Vechta, morgens um halb zehn: In einem modernen Bürogebäude am Rande der niedersächsischen Stadt sitzt Stefan Macke gut gelaunt an seinem Schreibtisch. Der 42-jährige Softwarearchitekt und Ausbildungsleiter der „Alte Oldenburger Krankenversicherung AG“ ist federführend für die Legacy Modernisierung und Ausbildung des hauseigenen IT-Nachwuchses zuständig. 300 Mitarbeiter hat die Versicherung, gut 40 davon sind IT’ler. Was den Programmierer antreibt, ist die Herausforderung, ein langlebiges System umsichtig zu modernisieren, indem er alte Hasen und junge Talente gezielt zusammenbringt und motiviert. Aber wie genau macht er das?

Herr Macke, Sie sind seit über 20 Jahren Softwarearchitekt und -entwickler. Wird Ihnen nicht langsam langweilig?

Gar nicht! (lacht) Ich finde Programmieren hochgradig kreativ. Für mich beginnt die Arbeit quasi auf der grünen Wiese, praktisch aus dem Nichts. Dabei kann ich etwas ganz Neues schaffen, das es vorher noch nicht gab, und so Probleme für uns selbst oder für Kunden lösen. Es ist faszinierend, mit einer Programmiersprache und ein paar Zeilen Code die Grundlage für Prozesse zu schaffen, die unseren Arbeitsalltag erst möglich machen. Ich erlebe da eine große Freiheit.

Die Alte Oldenburger setzt seit über 25 Jahren auf Adabas und Natural als Kernsystem. Warum tun Sie das?

Unsere Codebasis funktioniert sehr verlässlich. Einmal programmiert, läuft sie stabil und benötigt keine ständigen Anpassungen. Zweitens die Performance: Adabas und Natural leisten zuverlässige Arbeit, besonders bei großen Batch-Prozessen, die eine Krankenversicherung oft benötigt. Drittens ist der Code gut verständlich, weil der Umfang der Sprache überschaubar ist. Das ist für neue Entwickler und Entwicklerinnen besonders hilfreich, weil sie sich schnell in den Code einarbeiten und damit eigenständig arbeiten können. Es ist wie ein gut geschriebenes Buch, das auch nach Jahren leicht verständlich ist.

Es gibt keinen Grund, dieses Buch durch ein neues zu ersetzen?

Nein. In Adabas und Natural steckt eine jahrzehntelange Entwicklung, speziell für unsere Versicherungsdomäne. Und als Versicherung haben wir ganz bewusst einen langen Atem und setzen auf Solidität. 5 Millionen Zeilen Code sind so inzwischen entstanden. Jedes Detail, das im System steckt, ist auf unsere Prozesse und Anforderungen abgestimmt – von der Antragserfassung über die Abrechnung bis hin zur Auszahlung. Wir nennen unser System VERSIS, das steht für Versicherungsinformationssystem. Mit diesem ERP-System verwalten wir alle Versicherten und Versicherungsleistungen. Im Grunde genommen ist VERSIS das System, mit dem wir unser Geld verdienen. Und es komplett zu ersetzen, würde bedeuten, dass wir die jahrelang entwickelten Feinheiten, die unsere Prozesse erst effizient machen, neu schreiben müssten.

…was wiederum extrem aufwändig wäre.

Ja, sogar sinnlos, in meinen Augen. Für eine so maßgeschneiderte Software bräuchten wir Jahre, und vermutlich müssten wir unser Entwicklerteam verdoppeln, um den Austausch zu stemmen. Unsere Strategie ist daher, das Kernsystem zu behalten und es durch moderne Schnittstellen zu erweitern. So können wir zum Beispiel unsere Versicherten-App, mit der Kunden ihre Arztrechnungen einscannen, direkt an unser Backend anbinden, ohne dass wir das ganze System austauschen müssen. So schaffen wir ein Ökosystem mit einem soliden Nukleus und Satelliten, die wir bei Bedarf modernisieren.

Wie funktioniert die Legacy Modernisierung konkret?

Wir bilden gemischte Teams aus erfahrenen Entwicklern, die die Details der Legacy-Software und die Versicherungsdomäne gut kennen, und neuen Entwicklern, die moderne Konzepte und Technologien einbringen. So entsteht ein gegenseitiger Austausch: Die Senioren geben ihr Wissen über Adabas und Natural weiter, die Junioren bringen neue Ideen und moderne Konzepte ein, wie zum Beispiel automatisierte Tests und Container-Lösungen. Ein Beispiel dafür ist ein MVC-Pattern, das ein Junior-Entwickler von Java in Natural übertragen hat. Damit nutzen wir moderne Strukturkonzepte und schaffen Übersichtlichkeit in einer älteren Programmiersprache. Beide Seiten profitieren voneinander, und letztlich natürlich das Unternehmen.

Können Sie das noch etwas genauer erklären?

Die Kollegen sitzen oft im selben Büro, so dass sie sich austauschen und voneinander lernen können. Ein kurzer Dienstweg, mal eben über den Tisch zu rufen, hilft, um Hemmschwellen abzubauen und schnell Lösungen zu finden. Der persönliche Kontakt fördert das Lernen und stärkt den Teamzusammenhalt, den wir durch regelmäßige Vorträge und Präsentationen auch auf größere Teams erweitern. Der Austausch ist elementar, damit beide Seiten voneinander lernen können.

Welche Voraussetzungen sind aus Ihrer Sicht essenziell, damit diese Zusammenarbeit gelingt?

Erstens: Moderne Technologie und Tools wie Build-Systeme und Unit Tests, unabhängig von der verwendeten Sprache. Das sorgt für ein zeitgemäßes Arbeitsumfeld, das auch junge Leute anspricht und Flexibilität in der Entwicklung bietet. Zweitens: Den aktiven Austausch zwischen Junior und Senior auf Augenhöhe fördern. Bei uns ist es gängig, dass wir regelmäßig Team-Treffen veranstalten, bei denen die Entwickler ihre Ideen und Lösungen vorstellen. Drittens: Ein attraktives Arbeitsumfeld, das Homeoffice und Präsenzarbeit im Büro kombiniert. Dadurch bieten wir Flexibilität, ohne dass der persönliche Austausch und das Zusammenarbeiten im Team zu kurz kommen.

Wenn Sie nach vorne blicken: Was wird die Zukunft bringen?

Ich bin überzeugt, dass Legacy-Modernisierung weiterhin gelingt, indem wir unsere Entwickler mit einer modernen Infrastruktur ausstatten und den generationsübergreifenden Austausch aktiv fördern. So bleibt unser Know-how erhalten, und wir können gleichzeitig neue Ideen integrieren. Nur durch diesen Austausch können wir aus einer älteren Programmiersprache wie Natural das Beste herausholen und unser Ökosystem um moderne Konzepte und Tools erweitern. So schwebt uns zum Beispiel vor, unsere Anwendungen stärker in Containern anzulegen. Die Zukunft beginnt hier und jetzt.

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