Ein Kommentar von Fabian Schmidt, Director Public Affairs and Research der Software AG
            

Data Governance Act - Fluch statt Segen für europäische Datenvermittler
Mit dem seit Ende September diesen Jahres geltenden Data Governance Act (DGA) hat die EU die nächste digitalpolitische Regulierungsrunde eingeläutet. Nach den Gatekeepern sind nun die sog. Datenvermittler – zu ihnen zählen z.B. die Datenmarktplätze – an der Reihe. Ziel ist es, das Vertrauen in sie als „ehrliche Makler“ zu stärken und so der lahmenden Datenwirtschaft neuen Schwung zu geben. Der DGA folgt dabei dem Gedanken, zwischen der Bereitstellung, der Vermittlung und der Nutzung von Daten strikt zu trennen, um etwaige Interessenkonflikte von vornherein auszuschließen. So richtig und wichtig dieser Gedanke auch ist, in der Umsetzung überspannt der DGA den Bogen. So ist es den Datenvermittlern nicht nur verboten, die über sie gehandelten Daten für eigene Zwecke zu verwenden, auch die Vermarktung weiterer Dienste ist ihnen untersagt. Obendrein erlegt der DGA ihnen eine Reihe von – teils sehr aufwändigen – Pflichten auf. Angesichts des derart in die Zange genommenen Geschäftsmodells stellt sich die Frage, ob es in Europa überhaupt noch eine Zukunft für Datenvermittler gibt. Falls nicht – und dafür spricht vieles – hätte der DGA der europäischen Datenwirtschaft einen echten Bärendienst erweisen, indem er einen ihrer potenziellen Schlüsselspieler ungewollt ins Abseits gestellt hat.
Welche Rolle können Datenvermittler in der Datenwirtschaft spielen?
Im Kern besteht das Geschäftsmodell eines Datenvermittlers darin Anbieter und Nachfrager von Daten zusammenzubringen und es ihnen damit zu erleichtern, miteinander ins Geschäft zu kommen. Dank ihm müssen sich beide Seiten nicht mehr mühsam auf dem Markt suchen, sondern können sich – typischerweise auf seiner Plattform – schnell finden. Dadurch sinken für beide Marktseiten die – bei Daten mangels Spotmarkt besonders hohen – Transaktionskosten, so dass mehr Daten gehandelt werden können. Datenvermittler haben daher das Potential, als Katalysatoren die Entstehung einer Datenwirtschaft entscheidend voranzutreiben, zumal sich über ihre digitalen Plattform prinzipiell beliebig viele Datengeschäfte abwickeln lassen.

Was sieht der Data Governance Act vor

Trotz ihres enormen Potentials konnten sich bislang aber nur einige wenige Datenvermittler in Europa etablieren. Für die EU ist die Ursache – ohne sie empirisch belegt zu haben – klar: Aus Sorge, dass ihre Daten gegen ihren Willen und ggf. sogar gegen ihre Interessen verwendet werden könnten, blieben die Nutzer den Datenvermittlern sicherheitshalber gleich ganz fern. Ihre Lösung: Um etwaige Interessenskonflikte von vorherein auszuschließen, wird die Neutralität der Datenvermittler rechtlich verankert. Folgerichtig verbietet es ihnen der DGA, die über sie gehandelten Daten für andere Zwecke zu verwenden, als sie den Datennutzern zur Verfügung zu stellen. So ist es ihnen untersagt, die Daten zu analysieren oder sie mit anderen Daten zu höherwertigen Datensets zusammenzuführen. Diese Beschränkung ist im Hinblick auf die den Nutzern unterstellte Sorge durchaus nachvollziehbar. Der DGA geht allerdings einen Schritt weiter, indem er es den Datenvermittlern verbietet, neben der Datenvermittlung zusätzliche Dienste – bspw. zur Datenanalyse – auf ihren Plattformen zu vermarkten. Erlaubt sind lediglich einige wenige Services zur Unterstützung des Datentransfers wie z.B. zur Pseudonymisierung oder vorübergehenden Speicherung der Daten.

Dies hat gravierende Folgen für die Datenvermittler. Ihnen brechen nicht nur die bisherigen Erlöse aus den Zusatzdiensten weg, es wird ihnen auch erschwert, die für ihr Wachstum neuralgischen Netzwerkeffekte zu entfalten, die daraus resultieren, dass Nutzer auf ihrer Plattform sowohl Daten als auch passende Dienste bzw. vice versa finden können. Als wäre dies nicht schon genug, erlegt der DGA den Datenvermittlern zusätzlich eine Reihe von Pflichten auf. Zwei stechen wegen ihres hohen Erfüllungsaufwands dabei hervor:

Erstens müssen die Datenvermittler für sog. sensible wettbewerbsrelevante Daten – also z.B. Informationen über Preise oder Kapazitäten – das höchste Sicherheitsniveau gewährleisten. Selbst für diejenigen unter ihnen, die bereits heute ein sehr hohes Sicherheitsniveau implementiert haben, dürfte dies zu erheblichen Zusatzkosten führen. Da der DGA das höchste Sicherheitsniveau weder definiert bzw. spezifiziert noch eine Referenzgröße benennt, werden die Datenvermittler im Zweifel die buchstäblich noch sichere und damit teurere Alternative wählen. Zweitens verpflichtet der DGA sie dazu, für die Einhaltung des Wettbewerbsrechts zu sorgen. So müssen sie etwa verhindern, dass ein Unternehmen aus der gemeinsamen Datennutzung Einblicke in der Marktstrategien seiner Wettbewerber erhält. Der Datenvermittler muss also wissen, welches die Konkurrenten eines Datennachfragers sind, erkennen, ob ihm die angefragten Daten unerlaubte Einsichten bieten könnten und schließlich in der Lage sein, den Datenhandel bei Bedarf zu unterbinden. Neben den erforderlichen technischen Vorkehrungen kann ihm dies – wenn überhaupt – nur unter hohem händischen Aufwand gelingen.

Welche Folgen drohen?
Bereits dieser kursorischen Überblick zeigt, wie tief der DGA in die Geschäftsmodelle der Datenvermittler eingreift und sie dadurch nachhaltig zu beschädigen droht. Es bleibt abzuwarten, ob es ihnen möglich sein wird, allein mit der Vermittlung von Daten sowie der Unterstützung des Datentransfers genügend Erlöse zu erzielen, um ihre – infolge des DGA überdies gestiegenen – Betriebs- und Investitionskosten decken und darüber hinaus eine attraktive Rendite erwirtschaften zu können. Wahrscheinlicher ist indes, dass viele – wenn nicht sogar die meisten – der sowieso schon wenigen Datenvermittler vom EU-Markt verschwinden werden. Der DGA würde sich damit als Bremsklotz der europäischen Datenwirtschaft entpuppen.
Ausblick

Damit es nicht so weit kommt, sollte der DGA möglichst rasch auf den Prüfstand und unter Wahrung seines Neutralitätsgedankens an entscheidenden Stellen entschärft werden. Insbesondere sollte es den Datenvermittlern gestattet werden, zumindest die Services Dritter anbieten zu dürfen. Dies würde ihnen nicht nur zusätzliche Erlösquellen eröffnen, sondern vor allem auch die Entfaltung von Netzwerkeffekten erleichtern. Die vage Gefahr eines Interessenkonflikts bei der Datenvermittlung ist dabei vernachlässigbar. Ebenso sollten die den Datenvermittlern auferlegten Pflichten auf Kosten und Nutzen analysiert und im Zweifel gelockert werden. Dies gilt vor allem für die beiden Auflagen, das höchste Sicherheitsniveau zu gewährleisten – hier genügt ein angemessenes Sicherheitsniveau, da die Datenvermittler die Daten gemäß DGA eh nur vorübergehend speichern dürfen – oder für die Einhaltung des Wettbewerbsrechts zu sorgen, diese Aufgabe ist bei den Kartellbehörden am besten aufgehoben.

 

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