Kammerjäger digital
            

WAINS geht neue Wege, um Schädlingsbekämpfer zu unterstützen und ihre Arbeit effizienter und nachhaltiger zu machen. Die Lösung des Start-ups kombiniert Cumulocity IoT mit einer Bilderkennung, die auf künstlicher Intelligenz basiert. So will das Unternehmen dazu beitragen, dass künftig Biozide gezielter eingesetzt werden.

Der Duft frisch gebackenen Brots weckt bei Benjamin Ruoff lebhafte Kindheitserinnerungen: An die Bäckerei seiner Eltern, die warme Backstube, den köstlichen Geruch, den achtsamen Umgang mit Lebensmitteln. „Das hat mich geprägt“, blickt der 40-Jährige zurück. Er ist zwar kein Bäcker geworden, aber in seiner Freizeit kocht er gerne. „Die Leidenschaft meiner Eltern, eigenhändig etwas Frisches und Gesundes zuzubereiten, ist ein Teil von mir“, ist Benjamin Ruoff sich sicher.

Auch beruflich beschäftigt ihn das Thema. Als Geschäftsführer des Technologie-Start-ups WAINS, das in Albstadt auf der Schwäbischen Alb seinen Sitz hat, wollen er und sein Team Teil einer Antwort auf eine globale Herausforderung sein: Wie gelingt es, acht Milliarden Menschen auf der Welt mit Getreide, Obst, Gemüse und Fleisch zu versorgen, und zwar so sicher und nachhaltig wie möglich?

Das Problem, dem sich die WAINS GmbH seit ihrer Gründung Ende 2019 annimmt, ist folgendes: Überall dort, wo Lebensmittel gehandelt, gelagert und zubereitet werden, gibt es Schädlinge – zum Beispiel Mäuse, Motten und Korn- oder Reiskäfer. „Die Digitalisierung kann helfen, einen Befall frühzeitig zu erkennen“, sagt Benjamin Ruoff, der Medieninformatik studierte und vor seiner Zeit bei WAINS 14 Jahre Erfahrung in der IT-Branche im Bereich App-Entwicklung sammeln konnte. WAINS kombiniert die IoT-Plattform Cumulocity IoT mit einer auf künstlicher Intelligenz beruhenden Bilderkennung. „So schaffen wir für Schädlingsbekämpfer und deren Kunden in Industrie, Pharma, Hotellerie und Gastronomie ein digitales Frühwarnsystem, das Schädlinge identifiziert, bevor sie sich vermehren können und zu einem Problem werden.“

Weniger Biozide, mehr Effizienz

WAINS hat besondere Schädlingsfallen und mithilfe von Cumulocity IoT der Software AG ein digitales Ökosystem entwickelt, um das Beste aus der analogen und digitalen Welt zu kombinieren. Bei den Fallen handelt es sich um kleine Boxen, die Lockstoff-Tabletten oder Pheromone enthalten, um Schadinsekten oder -Nager anzulocken. Zusätzlich befinden sich darin Sensoren und Kameras, die laufend die Umgebungstemperatur und Luftfeuchtigkeit messen und zudem Fotos liefern. Alle Informationen werden täglich über eine digitale Sendeeinheit an die Cloud gesendet, anschließend mit Cumulocity IoT ausgewertet und in einem Dashboard übersichtlich dargestellt. „Unser System, das auf eine umfassende Datenbank mit Insekten-Taxonomien zurückgreift, die wir selbst entwickelt haben, erkennt und klassifiziert die gefangenen Schädlinge automatisch und alarmiert den Nutzer umgehend“, sagt Benjamin Ruoff.

Der Vorteil gegenüber einer rein analogen Lösung, wie sie heute in 99 Prozent der Betriebe angewandt wird, leuchtet schnell ein: Man nehme zum Beispiel eine Großbäckerei, in der es 150 Fallen gibt. Einmal im Monat werden sie durch einen Schädlingsbekämpfer einzeln kontrolliert und die Ergebnisse per Hand dokumentiert. Erst dann können Gegenmaßnahmen diskutiert und eingeleitet werden. „Ein zeitaufwändiges und ineffizientes Vorgehen“, sagt Benjamin Ruoff. „So breiten sich Schädlinge schnell aus, eben weil sie zu lange unerkannt bleiben.“

Haben sie sich erst einmal ausgebreitet, ist der Einsatz von Bioziden unvermeidbar. „Genau das aber ist in vielen Betrieben und auch in der Politik ein großes Thema, genauso wie die dauerhafte Beköderung von Schadnagern mit dafür zugelassenen Wirkstoffen“, sagt Benjamin Ruoff. Er weist in diesem Zusammenhang auch auf den Green Deal der Europäischen Union hin, im Rahmen dessen der Einsatz von chemischen Pestiziden bis zum Jahr 2030 in der EU halbiert werden soll. „Je weniger Mittel eingesetzt werden müssen, umso besser für Mensch und Tier. Da sind sich alle Akteure einig.“

Die Vision: Vorausschauende Schädlingsbekämpfung

Allein in Europa sind für kriechende Insekten mehrere Millionen analoge Fallen aufgestellt, die laut WAINS förmlich darauf warten, digitalisiert zu werden. Das digitale Monitoring und die Echtzeit-Analyse können dabei wertvolle Zusatzdaten liefern. „Wenn wir gleichzeitig den Befall selbst und den Verlauf von Umgebungsfaktoren wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit dokumentieren und auswerten, hilft das, die Ursachen besser zu erforschen und gezielt abzustellen“, sagt Benjamin Ruoff. Außerdem ist geplant, die Insekten-Datenbank mit der Hilfe von Biologen laufend zu erweitern und zu verfeinern, etwa um sehr seltene oder neue, eingewanderte Arten erfassen zu können. So entsteht sukzessive eine immer umfangreichere Datengrundlage.

Perspektivisch könnten sich noch viel mehr Möglichkeiten ergeben. „In zehn Jahren“, blickt der WAINS-Geschäftsführer in die Zukunft, „wenn es in der EU genug digitalisierte Fallen und ausreichend gute Daten gibt, könnten wir Karten vom Schädlingsbefall des ganzen Kontinents erstellen.“ Es ließe sich sogar die Entwicklung des Befalls im Verlauf eines Jahres abbilden, sodass ersichtlich würde, wann und wo welche Schädlinge auftreten und wie sie sich ausbreiten. Würde man dieses Wissen zusätzlich mit Daten von Fallen in mobilen Einheiten kombinieren – etwa aus Schiffscontainern oder Flugzeugen – könnte sich eine vorausschauende Schädlingsbekämpfung etablieren, glaubt Benjamin Ruoff: „Ich schätze, dass wir dann noch viel weniger Biozide einsetzen müssen. Die Schädlingsfreihaltung in der Lebensmittelversorgung würde einen großen Schritt sicherer und nachhaltiger.“

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